BGH entscheidet: Bestattungsvorsorgeverträge nicht insolvenzfest
06.02.2025 BGH - IX ZR 91/24
Angesparte Gelder eines Bestattungsvorsorgevertrages nicht pfändungs- und insolvenzfest
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 16.01.2025 (IX ZR 91/24) entschieden, dass Bestattungsvorsorge-Treuhandverträge nicht analog zu Sterbegeldversicherungen nach § 850b Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ZPO behandelt werden. Die Ansprüche des Schuldners auf Auszahlung solcher Gelder, die aufgrund eines Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrages verwahrt werden, sind daher pfändbar und gehören zur Insolvenzmasse.
Im entschiedenen Fall hatte die Schuldnerin bei einem Bestattungsunternehmen einen Bestattungsvorsorgevertrag abgeschlossen, in welchem die im Zusammenhang mit der Durchführung der Bestattung anfallenden Dienstleitungen und Lieferungen geregelt wurden. Korrespondierend dazu schloss die Schuldnerin mit einem Treuhänder einen Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag ab. Der Treuhänder sollte die von der Schuldnerin bei diesem eingezahlten Geldbeträge anlegen und verwalten bis die Beträge zur Finanzierung der Bestattung benötigt würden. Der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin kündigte beide Verträge und verlangte die bereits eingezahlten Beträge heraus.
Die Vorinstanzen hatten eine analoge Anwendung der Pfändungsschutzvorschrift des § 850b Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ZPO bejaht und kamen so dazu, dass das Guthaben gem. § 36 InsO nicht massezugehörig war. Zur Begründung stützten sie sich darauf, dass sich Bestattungsvorsorge-Treuhandverträge erst in den 2000er-Jahren etabliert hätten und sich daraus eine planwidrige Regelungslücke ergebe. Es bestehe aber eine vergleichbare Interessenlage, denn ein Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag erfülle im Wege einer anderen rechtlichen Konstruktion dieselbe Funktion wie eine Sterbegeldversicherung. Zudem unterfielen Bestattungsvorsorgeverträge nach der Rechtsprechung des Bundesozialgerichts der Härtefallregelung des § 90 Abs. 3 S. 1 SGB XII, was für eine vergleichbare Interessenlage spreche.
Der Bundesgerichtshof hingegen hält, nachdem er zuvor eine direkte Anwendung verneint hat, auch eine analoge Anwendung für ausgeschlossen, da der Wortlaut entgegen stehe.
Es liegt nach seiner Überzeugung bereits keine planwidrige Regelungslücke vor. Der Gesetzgeber sei nur von Leistungen auf Grund von Versicherungsverträgen ausgegangen und habe dies auch so gewollt. Die unterbliebene Erweiterung auf andere Formen im Zuge der späteren gesetzlichen Änderungen sei nicht versehentlich erfolgt. Dies ergebe sich aus den Gesetzesmaterialien. Insbesondere sei im Jahr 2005 bei der seinerzeitigen Änderung des § 90 Abs. 2 Nr. 2a SGB XII (den es mittlerweile schon nicht mehr gibt) explizit eine „Versicherung, mit der eine angemessene Bestattung sichergestellt werden soll“ erwähnt sowie „eine andere Form der Vorsorge“, für die ebenfalls geltend soll, dass diese Mittel bei der Gewährung von Sozialhilfe nicht einzusetzen seien. Es zeige sich hieran, dass der Gesetzgeber durchaus von anderen Formen der Absicherung neben der Sterbegeldversicherung Kenntnis hatte. Dass er in diesem Zuge nicht auch § 850b ZPO geändert habe spreche daher dafür, dass er diese Verträge nicht unter den Pfändungsschutz stellen wollte.
Die Ausführung des BGH überzeugen nicht. Dass der Gesetzgeber bei jeder Änderung immer alle anderen Normen auch in anderen Gesetzen mitbedenkt, dürfte unrealistisch sein, zumal wenn es um zwei so entfernt liegende Gebiete wie das Sozialhilferecht und die Zivilprozessordnung geht. Des Weiteren verkennt der BGH, dass die Gesetzesbegründung zu § 850b ZPO, auf die er sich stützt, aus dem Jahr 1977 stammt. Die Begründung zu § 90 SGB XII stammt aus dem Jahr 2005. Die Lebenswirklichkeit dürfte diese Begründungen längst überholt haben. Zudem ist es herrschende Meinung im Sozialrecht, dass Bestattungsvorsorgeverträge unter die Härtefallregelung nach § 90 Abs. 3 SGB XII fallen und kein einzusetzendes Vermögen darstellen. In der Praxis dürften doch aber gerade diejenigen einen Bestattungsvorsorgevertrag abschließen, die in finanziell schwierigen Verhältnissen leben und die sich nicht darauf verlassen können, dass ihr Erbe am Lebensende für die Bestattungskosten ausreicht. Meist ist auch das familiäre Umfeld, das für die Bestattung einzustehen hat, ebenfalls finanziell nicht so gut ausgestattet, um die regelmäßig doch recht hohen Kosten (die Finanzverwaltung in NRW setzt im Zuge der Erbschaftsbesteuerung pauschal immerhin 15.000,00 € als Bestattungskosten an) einer Beerdigung tragen zu können. Der Weg der Vorinstanzen über eine analoge Anwendung der Pfändungsschutzvorschriften und der gesetzlichen Obergrenze von 5.400,00 € erscheint gerechter und richtiger.
Andererseits ist aber auch zu bedenken, dass das Vollstreckungsrecht bereits jetzt von Einzelfallregelungen zerklüftet ist, die in der Praxis eine Vollstreckung kaum noch möglich macht. Eine analoge Anwendung der Pfändungsschutzvorschriften hätte zu einer weiteren Einzelfallregelung und einer Ausweitung der Kasuistik geführt und einem weiteren Schritt in Richtung Case-Law gemacht. Die Rechtsprechung ist jedenfalls bis zu einer vielleicht zukünftigen ausdrücklichen gesetzlichen Regelung anzuwenden.
Die Rechtsprechung ist für Insolvenzverfahren natürlicher Personen von Bedeutung und sollte auch im Vorfeld beim Abschluss entsprechender Verträge beachtet werden.
Kommentar
BGH entscheidet: Bestattungsvorsorgeverträge nicht insolvenzfest
06.02.2025 BGH - IX ZR 91/24
Angesparte Gelder eines Bestattungsvorsorgevertrages nicht pfändungs- und insolvenzfest
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 16.01.2025 (IX ZR 91/24) entschieden, dass Bestattungsvorsorge-Treuhandverträge nicht analog zu Sterbegeldversicherungen nach § 850b Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ZPO behandelt werden. Die Ansprüche des Schuldners auf Auszahlung solcher Gelder, die aufgrund eines Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrages verwahrt werden, sind daher pfändbar und gehören zur Insolvenzmasse.
Im entschiedenen Fall hatte die Schuldnerin bei einem Bestattungsunternehmen einen Bestattungsvorsorgevertrag abgeschlossen, in welchem die im Zusammenhang mit der Durchführung der Bestattung anfallenden Dienstleitungen und Lieferungen geregelt wurden. Korrespondierend dazu schloss die Schuldnerin mit einem Treuhänder einen Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag ab. Der Treuhänder sollte die von der Schuldnerin bei diesem eingezahlten Geldbeträge anlegen und verwalten bis die Beträge zur Finanzierung der Bestattung benötigt würden. Der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin kündigte beide Verträge und verlangte die bereits eingezahlten Beträge heraus.
Die Vorinstanzen hatten eine analoge Anwendung der Pfändungsschutzvorschrift des § 850b Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ZPO bejaht und kamen so dazu, dass das Guthaben gem. § 36 InsO nicht massezugehörig war. Zur Begründung stützten sie sich darauf, dass sich Bestattungsvorsorge-Treuhandverträge erst in den 2000er-Jahren etabliert hätten und sich daraus eine planwidrige Regelungslücke ergebe. Es bestehe aber eine vergleichbare Interessenlage, denn ein Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag erfülle im Wege einer anderen rechtlichen Konstruktion dieselbe Funktion wie eine Sterbegeldversicherung. Zudem unterfielen Bestattungsvorsorgeverträge nach der Rechtsprechung des Bundesozialgerichts der Härtefallregelung des § 90 Abs. 3 S. 1 SGB XII, was für eine vergleichbare Interessenlage spreche.
Der Bundesgerichtshof hingegen hält, nachdem er zuvor eine direkte Anwendung verneint hat, auch eine analoge Anwendung für ausgeschlossen, da der Wortlaut entgegen stehe.
Es liegt nach seiner Überzeugung bereits keine planwidrige Regelungslücke vor. Der Gesetzgeber sei nur von Leistungen auf Grund von Versicherungsverträgen ausgegangen und habe dies auch so gewollt. Die unterbliebene Erweiterung auf andere Formen im Zuge der späteren gesetzlichen Änderungen sei nicht versehentlich erfolgt. Dies ergebe sich aus den Gesetzesmaterialien. Insbesondere sei im Jahr 2005 bei der seinerzeitigen Änderung des § 90 Abs. 2 Nr. 2a SGB XII (den es mittlerweile schon nicht mehr gibt) explizit eine „Versicherung, mit der eine angemessene Bestattung sichergestellt werden soll“ erwähnt sowie „eine andere Form der Vorsorge“, für die ebenfalls geltend soll, dass diese Mittel bei der Gewährung von Sozialhilfe nicht einzusetzen seien. Es zeige sich hieran, dass der Gesetzgeber durchaus von anderen Formen der Absicherung neben der Sterbegeldversicherung Kenntnis hatte. Dass er in diesem Zuge nicht auch § 850b ZPO geändert habe spreche daher dafür, dass er diese Verträge nicht unter den Pfändungsschutz stellen wollte.
Die Ausführung des BGH überzeugen nicht. Dass der Gesetzgeber bei jeder Änderung immer alle anderen Normen auch in anderen Gesetzen mitbedenkt, dürfte unrealistisch sein, zumal wenn es um zwei so entfernt liegende Gebiete wie das Sozialhilferecht und die Zivilprozessordnung geht. Des Weiteren verkennt der BGH, dass die Gesetzesbegründung zu § 850b ZPO, auf die er sich stützt, aus dem Jahr 1977 stammt. Die Begründung zu § 90 SGB XII stammt aus dem Jahr 2005. Die Lebenswirklichkeit dürfte diese Begründungen längst überholt haben. Zudem ist es herrschende Meinung im Sozialrecht, dass Bestattungsvorsorgeverträge unter die Härtefallregelung nach § 90 Abs. 3 SGB XII fallen und kein einzusetzendes Vermögen darstellen. In der Praxis dürften doch aber gerade diejenigen einen Bestattungsvorsorgevertrag abschließen, die in finanziell schwierigen Verhältnissen leben und die sich nicht darauf verlassen können, dass ihr Erbe am Lebensende für die Bestattungskosten ausreicht. Meist ist auch das familiäre Umfeld, das für die Bestattung einzustehen hat, ebenfalls finanziell nicht so gut ausgestattet, um die regelmäßig doch recht hohen Kosten (die Finanzverwaltung in NRW setzt im Zuge der Erbschaftsbesteuerung pauschal immerhin 15.000,00 € als Bestattungskosten an) einer Beerdigung tragen zu können. Der Weg der Vorinstanzen über eine analoge Anwendung der Pfändungsschutzvorschriften und der gesetzlichen Obergrenze von 5.400,00 € erscheint gerechter und richtiger.
Andererseits ist aber auch zu bedenken, dass das Vollstreckungsrecht bereits jetzt von Einzelfallregelungen zerklüftet ist, die in der Praxis eine Vollstreckung kaum noch möglich macht. Eine analoge Anwendung der Pfändungsschutzvorschriften hätte zu einer weiteren Einzelfallregelung und einer Ausweitung der Kasuistik geführt und einem weiteren Schritt in Richtung Case-Law gemacht. Die Rechtsprechung ist jedenfalls bis zu einer vielleicht zukünftigen ausdrücklichen gesetzlichen Regelung anzuwenden.
Die Rechtsprechung ist für Insolvenzverfahren natürlicher Personen von Bedeutung und sollte auch im Vorfeld beim Abschluss entsprechender Verträge beachtet werden.
Julia Frank
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