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Kommentar

Vorsatz­an­fechtung - Wann genau muss Kenntnis der Zahlung­s­un­fähigkeit vorliegen?

Der Bundesgerichtshof hat sich jüngst vertieft mit den Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO befasst. Im zu beurteilenden Sachverhalt musste sich der BGH erstmals darauf festlegen, wann genau die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit - als Indiz für die Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes - beim Zahlungsempfänger gegeben sein muss. Er musste klären, ob diese Kenntnis des Anfechtungsgegners bereits beim Abfluss der Mittel aus dem Schuldnervermögen nötig ist, oder ob es genügt, dass er Kenntnis hiervon bis zu dem Zeitpunkt erlangt hat, in dem er tatsächlich bereichert wird.

Regelmäßig fällt dies zeitlich zusammen, nicht aber hier. Dem Sachverhalt liegt zugrunde, dass die dortige Schuldnerin sich bereits seit Ende 2013 in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten befand. Rücklastschriften und Vollstreckungsmaßnahmen waren die Folge, insbesondere von Sozialversicherungsträgern. Das zuständige Finanzamt, welches Beklagte im Verfahren war, pfändete im März 2014 das Geschäftskonto der Schuldnerin. Diese Pfändung ging ins Leere, weil das Konto bereits vor Zustellung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung seitens des Kreditinstituts gekündigt worden war.

Am 27.05.2014 versuchte das Finanzamt, in das bewegliche Vermögen der Schuldnerin zu vollstrecken. Auch dieser Vollstreckungsversuch verlief fruchtlos. Nur einen Tag später, am 28.05.2014, überwies der Geschäftsführer der Schuldnerin von seinem privaten Girokonto unter Angabe der schuldnerischen Steuernummer einen Betrag in Höhe von 5.000,00 €. Dem vorausgegangen war die Überweisung eines Betrags in gleicher Höhe von einem weiteren Geschäftskonto der Schuldnerin auf das Privatkonto mit Wertstellung bereits zum 23.05.2014. Der BGH nahm aufgrund der Begleitumstände an, dass erst die fruchtlose Vollstreckung in das bewegliche Vermögen vom 27.05.2014 zu einer Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bzw. vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz beim Finanzamt geführt hatte. Es hatte somit zu klären, ob für die Anfechtbarkeit der Zahlung der 5.000,00 € auf den 23.05.2014 oder auf den 28.05.2014 abgestellt werden muss.

Der Bundesgerichtshof hat zu Lasten des Finanzamtes auf den 28.05.2014 und somit auf die Wertstellung beim Anfechtungsgegner abgestellt. Der BGH begründet dies damit, dass es für die Bestimmung des nach § 140 Abs. 1 InsO maßgeblichen Zeitpunkts auf die Begründung der Rechtsposition ankommt, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne die Anfechtung beachtet werden müsste. Ob und gegebenenfalls wann jene Rechtsposition entstanden ist, die ohne die Anfechtung beachtet werden müsste, könne nicht ohne Rücksicht auf die Person des Anfechtungsgegners beurteilt werden. Der BGH betont zudem einen schon früher geprägten Grundsatz, wonach eine mittelbare Zuwendung so zu behandeln sei, als habe der Leistungsempfänger direkt vom Schuldner erworben. Es gäbe keinen Grund, den Empfänger einer mittelbaren Zuwendung dadurch zu bevorzugen, dass der für die Beurteilung der Anfechtungsvoraussetzungen maßgebliche Zeitpunkt auf den Eingang der Gelder beim Leistungsmittler vorverlegt wird.

Das Urteil ist insofern bemerkenswert, dass der BGH sich mit dieser Entscheidung gegen einen großen Teil der Literaturmeinungen stellt (vgl. MünchKomm-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, 4. Aufl., § 140 Rn. 32; Uhlenbruck/Borries/Hirte, InsO, 15. Aufl., § 140 Rn. 7; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 4. Aufl., § 140 Rn. 7). Der Bundesgerichtshof stärkt hiermit die Anfechtung zu Lasten der potenziellen Anfechtungsgegner. Dogmatisch ist diese Entscheidung gut nachvollziehbar, da die Anfechtbarkeit nach § 133 Abs. 1 InsO die Perspektive des Zahlungsempfängers (Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes) im Blick hat. Die Zahlung an den Zahlungsmittler kann schon deswegen nicht Anknüpfungspunkt für die Anfechtung sein, weil zu dieser Zeit noch gar nicht gesichert ist, dass tatsächliche eine Weiterleitung an den Gläubiger erfolgen wird.

gez. Elskamp
Rechtsanwalt

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