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Kommentar

Das Haftungs­risiko des ausge­schie­denen Geschäfts­führers bei der Insol­venz­ver­sch­leppung

In Krisensituationen sieht man öfter als auf hoher See, dass der Kapitän das sinkende Schiff verlässt. Man denkt sofort an das Bild der Costa Concordia in 2012, das vor der Insel Giglio im Mittelmeer mit einem Felsen kollidierte und manövrierunfähig wurde. Übertragen auf das Insolvenzverfahren werden vor allem in Insolvenzverschleppungsfällen die Geschäftsführer ausgetauscht, bevor der Insolvenzantrag gestellt wird, um Haftungsrisiken zu vermeiden. Die Rechtsprechung hat dieser Vermeidungsstrategie nunmehr einen weiteren Riegel vorgeschoben. Mit Urteil vom 23. Juli 2024 (Az. II ZR 206/22) hat der Bundesgerichtshof (BGH) über die Haftung eines ausgeschiedenen Geschäftsführers für Insolvenzverschleppungsschäden entschieden. Das Gericht hat dabei betont, dass ein ausgeschiedener Geschäftsführer grundsätzlich gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a InsO auch für Schäden von Neugläubigern deliktisch haftet, die erst nach seinem Ausscheiden in vertragliche Beziehungen zur Gesellschaft getreten sind. Diese Haftung besteht, wenn die durch seine Pflichtverletzung geschaffene Gefahrenlage im Zeitpunkt der Schadensentstehung noch fortbesteht.

Der wesentliche Punkt des Urteils ist, dass der Zurechnungszusammenhang erst dann nicht mehr gegeben ist, wenn die Gesellschaft sich nach der Pflichtverletzung des Geschäftsführers wieder nachhaltig erholt hat und erst nach seinem Ausscheiden erneut insolvenzreif wird (so auch schon BGH, Urteil vom 25. Juli 2005 – II ZR 390/03). In diesem Fall ist die durch die ursprüngliche Pflichtverletzung des Geschäftsführers begründete Gefahrenlage bei Abschluss der späteren Verträge bereits beendet. Die Geschäftsführerhaftung erlischt somit, wenn zwischen dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung und der erneuten Insolvenzreife ein nachhaltiger wirtschaftlicher Aufschwung der Gesellschaft lag.

Das Urteil betont die erhöhte Sorgfaltspflicht und das damit verbundene Haftungsrisiko für Geschäftsführer in Krisenzeiten. Es zeigt deutlich, dass auch ausgeschiedene Geschäftsführer für bestimmte Pflichten weiterhin haften können, insbesondere wenn durch ihr Handeln eine andauernde Gefährdungslage geschaffen wurde. Diese Gefahr entfällt allerdings, wenn die Gesellschaft nach einer krisenhaften Phase eine stabile wirtschaftliche Erholung erfährt, bevor es erneut zu einer Insolvenzreife kommt.

Insgesamt verdeutlicht das Urteil, dass Geschäftsführer in Krisenzeiten besonders vorsichtig handeln müssen. Sie sollten sich rechtzeitig beraten lassen, um Haftungsrisiken zu minimieren und sicherzustellen, dass sie ihren gesetzlichen Pflichten nachkommen. Dies gilt umso mehr, da eine Verletzung der Insolvenzantragspflicht weitreichende Konsequenzen haben kann, auch über die eigene Amtszeit hinaus. Expertenrat in Krisensituationen ist daher unverzichtbar, um persönliche Haftungsrisiken zu vermeiden und rechtzeitig die richtigen Schritte einzuleiten.

Robert F. Westhues

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