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Kommentar

Mittelbar Betei­ligter als naheste­hende Person i. S. d. § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO

1. Der BGH hat sich in seinem Urteil vom 22.02.2024, Az. IX ZR 106/21, mit der Frage beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen ein mittelbarer Gesellschafter eines Insolvenzschuldners eine nahestehende Person im Sinne des § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO ist.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte die Insolvenzschuldnerin u. a. im zweiten Monat vor der Stellung des Insolvenzantrags eine Zahlung in Höhe von 146.400,00 € an den späteren Beklagten, einen eingetragenen Verein, geleistet. Der beklagte Verein ist Alleingesellschafter einer GmbH, die wiederum Alleingesellschafterin der Insolvenzschuldnerin ist. Zudem ist der Vorstand des Beklagten Mitglied des Beirats der GmbH. Gegenstand des Rechtsstreits war ein Insolvenzanfechtungsanspruch gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO gegen den beklagten Verein wegen der Zahlung in Höhe von 146.400,00 €, wobei insbesondere die Frage der Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin im Zeitpunkt der angefochtenen Zahlung streitig war. In diesem Zusammenhang war zu klären, ob der Beklagte gemäß § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO eine nahestehende Person der Insolvenzschuldnerin ist und deshalb die Vermutung des § 130 Abs. 3 InsO greift.

 

2. Gemäß § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO sind nahestehende Personen eines Insolvenzschuldners, der eine juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft ist, die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans und persönlich haftende Gesellschafter des Schuldners sowie Personen, die zu mehr als einem Viertel am Kapital des Schuldners beteiligt sind. Der BGH hat in der zitierten Entscheidung festgestellt, dass der Beklagte aufgrund seiner mittelbaren Beteiligung an der Insolvenzschuldnerin als nahestehende Person im Sinne des § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO anzusehen sei. Dabei hat er sich zum einen auf die Entstehungsgeschichte der Norm berufen, weil laut der Gesetzesbegründung bei der Berechnung des Anteils am Grundkapital des Insolvenzschuldners auch eine mittelbare Beteiligung zu berücksichtigen sein sollte. Zum anderen hat der BGH mit dem Regelungszusammenhang sowie dem Sinn und Zweck des Gesetzes argumentiert. Denn eine Person, die zu mehr als einem Viertel am Kapital des Insolvenzschuldners beteiligt ist, verfügt über besondere Möglichkeiten, sich über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Insolvenzschuldners zu unterrichten. Dies müsse nach den Ausführungen des BGH auch gelten, wenn eine Beteiligung von mehr als 25 % durch die Zwischenschaltung einer anderen natürlichen oder juristischen Person oder einer anderen Personenvereinigung erreicht werde. Der beklagte Verein war demzufolge im vorliegenden Fall so zu behandeln, als sei er zu 100 % an der Insolvenzschuldnerin beteiligt, so dass er eine nahestehende Person im Sinne des § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO ist, für die gemäß § 130 Abs. 3 InsO widerleglich vermutet wird, dass sie zum maßgeblichen Zeitpunkt Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin hatte.

 

3. Das Urteil fügt sich nahtlos in eine Reihe von Entscheidungen ein, mit denen sichergestellt werden soll, dass im Vorfeld des Insolvenzverfahrens vorgenommene Vermögensverschiebungen zugunsten von Gesellschaftern und mittelbar Beteiligten des Insolvenzschuldners im Interesse der Gläubigergesamtheit aufgrund von Insolvenzanfechtungen gemäß §§ 130, 133, 135 InsO rückabgewickelt werden. Dies entspricht dem gemäß § 1 InsO vorrangigen Ziel des Insolvenzverfahrens, die Gläubiger gemeinschaftlich bestmöglich zu befriedigen. Die Entscheidung vom 22.02.2024 folgt somit konsequent dem gesetzgeberischen Willen und überzeugt deshalb auf ganzer Linie.

Ruth Braukmann

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