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Kommentar

Neuig­keiten vom BGH zur Berater­haftung

In seiner Leitsatzentscheidung vom 29.06.2023 (Az. IX ZR 56/22) konstatiert der Bundesgerichtshof (BGH), dass die Rechtsberater eines Unternehmens bei einem möglichen Insolvenzgrund Hinweis- und Warnpflichten gegenüber der Geschäftsleitung treffen können; ein Verstoß gegen diese Pflicht führe zu einem unmittelbaren Schadensersatzanspruch der Geschäftsleitung. Was nach einer deutlichen Verschärfung der Beraterhaftung klingt, relativiert sich bei näherer Betrachtung jedoch. 

Worüber hatte der BGH zu entscheiden: Die Geschäftsleiter einer insolventen GmbH & Co. KG waren vom Insolvenzverwalter für diverse Zahlungen in Anspruch genommen worden, die sie trotz des Eintritts der Insolvenzreife vorgenommen hatten. Im Anschluss wurde der Rechtsberater der Insolvenzschuldnerin in Höhe der ausgehandelten Vergleichszahlung auf Schadenersatz in Anspruch genommen, da er gegen Beratungspflichten verstoßen habe. Da die Geschäftsleiter in den Schutzbereich des mit der GmbH & Co. KG abgeschlossenen Mandatsvertrages einbezogen gewesen seien, wäre der Rechtsberater verpflichtet gewesen, auf die persönliche Haftung der Geschäftsführer hinzuweisen. Anders als die Berufungsinstanz (OLG Köln, Urteil vom 03.03.2022, Az. 18 U 12/20) hat der BGH Schadensersatzansprüche dem Grunde nach für möglich erachtet. 

Novum der Entscheidung ist, dass der BGH sich erstmals zu der Frage äußert, ob den Rechtsberater eines Unternehmens aufgrund der drittschützenden Wirkung auch Hinweis- und Warnpflichten bei möglichem Insolvenzgrund zugunsten der Geschäftsleitung treffen. Diese beantwortet er mit einem klaren JA, stellt jedoch zeitgleich heraus, dass die drittschützende Wirkung maßgeblich vom Inhalt und der Ausprägung des Mandatsvertrages abhänge. 

Die Einbeziehung eines Dritten in die Schutzwirkungen eines Vertrages bei reinen Vermögensschäden setze voraus, dass der Dritte (hier die Geschäftsleiter) bestimmungsgemäß mit der Hauptleistung (hier: der Mandatsauftrag) in Berührung komme. Ausreichend sei es, wenn das drittgeschützte Interesse bei Erbringung der Hauptleistung typischerweise beeinträchtigt werden kann. Das drittgeschützte Interesse fol- 

ge aus der Insolvenzantragspflicht und den bei Missachtung drohenden Haftungsfolgen. Wurde der Rechtsberater z.B. nur mit der Abwehr oder der Durchsetzung eines Anspruchs beauftragt, also unabhängig von einer Krise des Unternehmens, scheide eine drittschützende Wirkung in der Regel aus – dies sogar dann, wenn während des Mandates die Voraussetzungen für die Hinweis- und Warnpflichten bei möglichem Insolvenzgrund eintreten. Anders sei dies zu bewerten, wenn der Berater gerade mit der Beurteilung oder Bearbeitung einer Krisensituation beauftragt worden ist. Aus dieser Konstellation ergebe sich ein Näheverhältnis von der Hauptleistung zu den in § 1 StaRuG zusammengefassten Pflichten zur Krisenfrüherkennung und -management, die wie die Insolvenzantragspflicht gerade den Geschäftsleiter treffen. 

Ein unbilliges Haftungsrisiko für den Rechts- berater sieht der BGH bei so verstandenem Drittschutz daraus folgend nicht. Schließlich müsse sich der Rechtsberater bei der Erbringung der Hauptleistung ohnehin mit der wirtschaftlichen Krise des Rechtsträgers befassen, dessen Geschäftsleiter der Insol- venzantragspflicht nach § 15a InsO unterliegt. Auch seien Hinweis und Warnung erst geschuldet, wenn dem Berater der mögliche Insolvenzgrund bekannt ist oder bei ordnungsgemäßer Bearbeitung des Mandates sich schlichtweg aufdrängt und für den Berater Anzeichen bestehen, dass der Geschäftsleiter um seine Pflichten nicht weiß. 

Insbesondere bei krisennaher Beratung ist es daher – mehr denn je – angezeigt, auch die Beratung der Geschäftsleiter bei Insolvenzreife und deren Folgen im Blick zu haben und diese zu dokumentieren, um einen Anwaltsregress zu vermeiden. 

Julia Liebermann

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